Übererfüller: Schulheft vom Greißler?

Immer mehr Übererfüller

Im steirischen Fohnsdorf durchsucht ein Polizist den Einkaufskorb einer Kundin mit dem Vorwurf, sie habe bei einem Gemischtwarenhändler mit Drogeriekonzession ein Schulheft gekauft.

Die Wirtschaftskammer ist über eine Wettbewerbsabsprache glücklich, die sie mit den Marktbeherrschern des österreichischen Lebensmittelhandels für Corona-Zeiten vereinbart hat: Die großen Fünf verzichten, Waren wie Computer oder Malerbedarf zu verkaufen. Druckerfarbe und Pflanzen werden sie aber weiterhin feilbieten.

Ein Wiener Elektrofachhändler wird verbal abgewatscht, weil er vorbestellte Elektrogeräte an der Geschäftstür ausfolgt.

Zwei Verbotssäulen

Was darf ein Bürger einkaufen und wobei riskiert er die Strafe von 3.600 Euro? Die österreichische Form der Ausgangssperre im Notstand stützt sich auf zwei Verbotssäulen:

Einerseits dürfen Kundenbereiche von Betriebsstätten nicht zum Wareneinkauf betreten werden. Nur Lebensmittelhändler, Drogisten und einige andere sind von diesem Betretungsverbot ausgenommen. Diese Geschäfte dürfen auch Nicht-Lebensmittel-Waren verkaufen, und ihr Verkaufsrecht stellt in keiner Weise auf das Sortiment ab. Zusätzlich darf in gesperrten Kundenbereichen umgeräumt, gereinigt oder dekoriert werden, wenn Ein-Meter-Abstände oder andere Sicherheitsvorkehrungen eingehalten werden.

Andererseits darf man nur in bestimmten Fällen außer Haus gehen, zum Beispiel um notwendige Grundbedürfnisse des täglichen Lebens zu decken. Verlässt man das Haus ohne bestimmten Grund, so darf man nur von Menschen, die im gleichen Haushalt wohnen, begleitet werden. Der Ein-Meter-Abstand ist bei jeder Begegnung einzuhalten.

Darf’s beim Grundrechtseingriff ein bisserl mehr sein?

Die angesprochenen Notverordnungen greifen massiv in unsere Grundrechte ein. Bei diesen Eingriffen darf nach juristischer Auslegungslehre der Wortsinn nicht überschritten werden und sie sind im grundrechtsfreundlichen Sinn eng auszulegen. Die „notwendigen Grundbedürfnisse des täglichen Lebens“ sind also an sich schon weit aufzufassen: Wenn unstrittig exotische Früchte dazugehören, wird das wohl auch für Schreibmaterial gelten.

Will jemand betont rechtstreu handeln, kauft er sich einen Apfel, um das Betreten des Geschäfts zu legitimieren, und nimmt nebenbei den Fernseher zur Kassa.

Da die Straße immer betreten werden darf, wenn die Ein-Meter-Regel beachtet wird, dürfen bestellte Sachen auch an der Geschäftstür abgeholt werden. Gestalteten wir das Abholen als „Lieferdienst“, also durch einen Dritten, dürfte dafür sogar der Verkaufsraum betreten werden. Davon rate ich jedoch ab.

Die Überlegung, beim Abholen würde sich der Kundenbereich auf den Gehsteig verlagern und damit sei dessen Betreten vor dem Geschäft verboten, ist als juristisch abenteuerlich abzulehnen. Diese Argumentation mag beim Eissalon gelten, aber jedenfalls nicht beim Elektrohändler.

Als Kunde hat man keinen unmittelbaren Einfluss darauf, welche Geschäftspolitik ein Unternehmer betreibt. Es ist jedoch mehr erlaubt, als die Übererfüller der Notstandsverordnungen behaupten.

Zulässig ist also:

In geöffneten Geschäften darf man aus dem gesamten Warenangebot wählen. Vorbestellte Waren an der Geschäftstür abzuholen, ist mit Ein-Meter-Abstand erlaubt.