Wie viele sind „einzelne Personen“?

Die geltende Corona-Notverordnung erlegt allen Menschen eine Ausgangssperre auf, welche neben anderen die folgende Ausnahme kennt:

COVID-19-Notmaßnahmenverordnung BGBl. II Nr. 479/2020:
§ 1. (1) Zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 und zur Verhinderung eines Zusammenbruchs der medizinischen Versorgung ist das Verlassen des eigenen privaten Wohnbereichs und der Aufenthalt außerhalb des eigenen privaten Wohnbereichs nur zu folgenden Zwecken zulässig:
...
3. Deckung der notwendigen Grundbedürfnisse des täglichen Lebens, wie insbesondere
a) der Kontakt mit
...
bb) einzelnen engsten Angehörigen, ...

Die eigene Wohnung darf also für den Kontakt mit „einzelnen engsten Angehörigen“ verlassen werden. Noch bevor diese Verordnung überhaupt in Kraft trat, stellte die Regierung zwei unterschiedliche Auslegungen dieser Gesetzesstelle vor, die sich durch eine weitere ergänzen lassen.

Eine Regierung – zwei Meinungen

Am Sonntag meinte das Gesundheitsministerium, dass damit Treffen mit einigen wenigen Personen zulässig seien. Das lese man aus der Worterklärung des Duden. Peinlich ist nur, dass man offenbar beim Hauptwort „Einzelne“ nachgeschlagen hat, das im Verordnungswortlaut gar nicht vorkommt. Vielmehr hätte man beim Eigenschaftswort „einzeln“ die Wortbedeutung erkunden müssen, wahrlich eine schwierige Übung.

Am Montag schien man klüger geworden zu sein, wie der ORF nach einem Auftritt des Innenministers aus dem Gesundheitsministerium erfahren konnte. Eine Person alleine dürfe zu mehreren zu Besuch kommen.

Man darf nur einen allein treffen

Beide Lesarten entsprechen dem Verordnungswortlaut nicht. Nach dem darf man auf der Straße oder in einer fremden Wohnung nur Kontakt zu einer einzelnen Person aufnehmen. Eine Mutter darf sich also nicht mit der gesamten Familie ihres Sohnes treffen, sondern nur mit einzelnen Familienmitgliedern allein. Vielleicht war es so nicht gewollt, aber wenn Minister und ihre Legisten nicht einmal im Duden nachschlagen können, braucht man sich über ihren Sprachgebrauch nicht zu wundern.

Letztlich treffen also die Polizisten im Einzelfall die Entscheidung, ob dem Gesundheitsminister oder dem Innenminister oder der Staatssprache zu folgen ist.